„Plötzlich sind sie nicht mehr da“
Jacqueline Schweizer (45) hat sich entschieden, gegen ihren Krebs zu kämpfen. In der Rubrik „Jacqueline kämpft“ werden wir regelmässig über ihren Weg berichten. Heute erzählt sie von einem himmlischen Erlebnis und harten Fakten, mit denen sie konfrontiert wird.
„Wer an Krebs leidet, sollte sich nicht verstecken. Für mich ist es wichtig, offen mit meiner Krankheit umzugehen. Als ich davon erfahren habe, sagte ich zu meinen Kollegen: Ich habe Krebs im Endstadium. Ich werde kämpfen und Chemotherapie machen. Ich wollte, dass sie von Beginn an wissen, was mit mir los ist. Doch damit habe ich alle geschockt. Sie waren überfordert. Ich habe seither viele Kollegen verloren. Einige sagten zu mir, dass ich ja gar nicht krank aussehen würde. Ich sei doch sicher gesund. Ich erwiderte, ich sei so fest krank dass ich froh sein müsse, noch hier sein zu dürfen. Ich machte auch traurige Erfahrungen. So erlebte ich, dass mich Freunde auf der Strasse plötzlich nicht mehr grüssten. Das macht mich wütend. Ich sagte zu ihnen, dass ich, obwohl ich meine Haare verliere, immer noch die gleiche Jacqueline bin.
Krebs ist noch immer ein Tabu. Viele können nicht darüber reden. Sie haben keine Ahnung, was der Krebs mit uns Menschen macht. Sie setzen die Krankheit oft mit dem Tod in Verbindung. Und das stimmt ja auch grösstenteils. Viele Krebskranke, die mit mir im Spital Schwyz waren und im gleichen Raum Chemotherapie verabreicht bekamen, sind inzwischen gestorben. Sie alle waren sehr liebe Menschen. Plötzlich sind sie nicht mehr da. Das ist hart. Vor zwei Wochen habe ich noch mit ihnen gesprochen. Danach lese ich ihre Todesanzeige in der Zeitung.
Ihr Krebs hat einen Namen
Ich gab meinem Darmkrebs von Anfang an den Namen Joshua. Einige Leute meinten, ich sei hochschwanger, weil ich mit dem Kleinen gesprochen habe. Inzwischen habe ich 36 Chemotherapien hinter mir. Selbstmitleid ertrage ich nicht. Das ist das Schlimmste für mich. Ich bin ein starker Mensch, mit einem weichen Herz. Ich kämpfe. Die Metastasen auf meiner Leber sind um die Hälfte geschrumpft. Sie sind noch 2 Zentimeter gross. Mein Onkologe freut sich jeweils mehr über meine Werte als ich. Er sagt, ich solle mir Teilziele setzen. Und mich über kleine Erfolge und Fortschritte freuen. Darum war ich kürzlich an der Basler Fasnacht. Ich habe das sehr genossen und ehemalige Schulkameraden getroffen.
Ich bin keine Kirchgängerin, glaube aber an Gott. Ich denke, dass es nach dem Tod in irgendeiner Form weiter gehen wird. Natürlich weiss ich nicht, was genau passieren wird. Doch ich hoffe, dass nach dem Tod noch mehr als das, was wir wahrnehmen können, sein wird.
Mein Stiefvater erlitt mit 40 Jahren einen Herzinfarkt. Die Ärzte mussten ihn reanimieren. Er erzählte mir, dass er sich von oben sah. Er konnte später genau berichten, wie viele Ärzte und Personal um den OP-Tisch herum standen. Dies, obwohl er bewusstlos war. Er sagte zu mir, dass er ein weisses Licht gesehen und gespürt habe. Das Gefühl dabei sei sehr warm, herzlich und befreiend gewesen. Er hat seither keine Angst vor dem Tod mehr. Er meinte, dass es nichts Schöneres gebe, als diese Liebe zu spüren. Das sei himmlisch. Ich glaube ihm und verspüre inzwischen auch keine Angst mehr vor dem Tod. Wenn es so weit ist, ist es der Tod wohl eine Erlösung. Denn der Krebs verursacht viele Schmerzen. Es wird der Tag kommen, wo ich froh sein werde, gehen zu dürfen.“