Frohnatur mit Kampfgeist
*Erfolgreich integriert: Saadia Da Cruz, 48, Fachfrau Gesundheit, Steinen
Saadia Da Cruz (48) liebt Chilbi und jodelt an Festen. Die Marokkanerin musste in der Schweiz aber auch kämpfen – vor allem wegen der Religionszugehörigkeit ihrer Familie.
Innere Anspannung, Tränen und Erleichterung: Diesen Gefühlscocktail erlebte Saadia Da Cruz bei der Einbürgerung ihrer Familie. Die gebürtige Marokkanerin erinnert sich an den Abend, als sie, ihr Mann, der Portugiese Fernando Da Cruz, und ihre zwei Töchter Soraya und Nadine vor versammelter Gemeinde antreten und sich vorstellen mussten. „Wir waren nervös, weil wir nicht wussten, ob wir akzeptiert werden“, erklärt die 48-Jährige. 2010 hatte die vierköpfige Familie die Einbürgerung beantragt, im Juni 2013 war es soweit. „Als wir uns vorstellen mussten, sagte ich nicht viel. Mein Mann erklärte aber, er liebe die Schweiz mehr als ich. Da lachten alle.“ Eine Frau habe sich damals zu Wort gemeldet. „Sie sagte, dass wir anständige und herzliche Menschen seien. Später am Abend weinte ich. Denn ich hätte nie gedacht, dass jemand etwas Gutes von uns erzählen würde.“
„Eine wunderbare Stadt“
Saadia Da Cruz ist in Casablanca geboren und zusammen mit ihren 8 Geschwistern aufgewachsen. „Ich hatte eine wunderbare Kindheit“, erzählt die zweifache Mutter. Sie habe in der Hotelbranche gearbeitet. „Die politische Situation in Marokko wurde immer schwieriger. Darum bin ich mit 21 Jahren nach Portugal ausgewandert und arbeitete 5 Jahre lang im Hotel Sheraton in Lissabon.“ Eine Freundin von sei in Bern gewesen und habe ihr vorgeschlagen, ebenfalls in die Schweiz zu kommen. „Mit 26 bin ich nach Interlaken gereist. Für mich war das eine wunderbare Stadt, weil es da viele Touristen gab und die Menschen sehr offen waren.“
Weil sie weder ein Diplom noch Sprachkenntnisse in Deutsch hatte, musste die 26-Jährige beruflich noch einmal von vorne beginnen. Erst arbeitete sie als Zimmermädchen, anschliessend in der Hotelrezeption. Später zog sie in den Kanton Schwyz und lernte in der Victorinox ihren Mann kennen. Das Paar heiratete und bekam Nachwuchs. Seit Januar 2011 ist Saadia Da Cruz im Alterszentrum Au in Steinen tätig, ein Jahr später liess sie sich zur Fachfrau Gesundheit ausbilden. „Die Schweiz hat mir eine Chance gegeben. Das werde ich nie vergessen“, betont sie. Sie schätzte die Sicherheit und Geborgenheit, die ihr dieses Land biete.
Gastfreundschaft
Klar ist: Die 48-jährige Marokkanerin liebt den Austausch mit Menschen. „Ich umarme auch Personen, die ich nicht kenne. Es fällt mir einfach, meine Gefühle zu zeigen“, sagt sie. Das Wohnzimmer der vierköpfigen Familie ist wie eine Oase, ein Ort der Entspannung und Begegnung, ausgestattet mit wunderschönen, farbigen Möbeln aus Marokko. Man spürt die Offenheit, Herzlichkeit und Gastfreundschaft, welche zu dieser Familie genauso gehören wie der Sand in die Wüste. Und dank der Tatsache, dass die Nordafrikanerin viel lacht und sehr offen ist, fühlt man sich bei ihr sofort willkommen. Saadia heisst übersetzt Fröhlichkeit. Und diesem Namen macht die Marokkanerin alle Ehre. „Ich habe gern Chilbi und mache dann einfach mit“, berichtet die zweifache Mutter. Sie geniesse es zu jodeln, auch wenn sie letztlich keine Ahnung habe, wie es genau funktioniere.
Doch es gab auch schwierige Situationen und Trauriges im Leben von Saadia Da Cruz. „Zwar haben wir in der Schweiz eine Demokratie, doch ich vermisse oft die gegenseitige Toleranz. Die Engstirnigkeit stört mich manchmal. Für meine Kinder ist es nicht immer einfach, hier aufzuwachsen“, gesteht die Mutter. Sie habe oft für ihre Töchter kämpfen müssen. Vor allem die Tatsache, dass sie Muslime seien, habe zu viel Ungerechtigkeit und Mobbing in der Schule geführt: „Es interessiert mich nicht, ob jemand Jude, Christ oder Buddhist ist. Das, was für mich wirklich zählt, ist der Mensch selber. Ich lege Wert auf die Beziehung und das Verhalten eines Menschen. Es ist nicht nötig, das wir uns wegen verschiedener Religionen anfeinden müssen“, sagt sie. Zwar habe sie in der Schweiz viele Pflichten, doch sie mache auch von ihren Rechten Gebrauch: „Ich sage meine Meinung, auch wenn das nicht allen passt. Freie Meinungsäusserung halte ich etwas vom Wichtigsten, was es gibt.“
In den Vorstellungen ihrer Töchter war die Integration wesentlich schneller und einfacher abgelaufen. Nachdem Saadia Da Cruz mit ihnen auf die Mythen gewandert war, sagten diese später zu ihren Lehrern: „Wir haben es bis nach oben geschafft. Jetzt sind wir auch Schwyzer.“
*Serie “Erfolgreich integriert”
Integration schafft kleine Schritte in Richtung Chancengleichheit. Auch im Kanton Schwyz gibt es zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass Integration gelungen ist. Der „Bote der Urschweiz“ stellt darum in seiner Serie „Erfolgreich integriert“ Menschen verschiedener Nationalitäten und Kulturen vor, die eingebürgert wurden. Sie erzählen, was sie dazu bewogen hat, ihre Heimat zu verlassen, und wie sie sich in der Schweiz fühlen.
Familie Da Cruz wurde im Juni 2013 eingebürgert. „Wir haben den Schweizer Pass vor allem wegen unserer Kinder beantragt. So werden sie später hoffentlich mehr Chancen haben“, erklärt Saadia Da Cruz. Sie selber fühle sich in der Schweiz nicht wesentlich anders als in Marokko. „Ich bin immer noch die Gleiche, denn meine Identität kann mir niemand nehmen. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich an seinen Herkunft zu erinnern. Es macht keinen Sinn, seine Wurzeln zu vergessen. Ich liebe Marokko und bin auch hier in der Schweiz daheim“, sagt sie. Die Fachfrau Gesundheit hält es für wichtig, generell das Positive zu sehen. „Das Leben ist in keinem Land perfekt, auch in der Schweiz nicht. Das müssen wir akzeptieren. Wenn wir uns auf das halb volle Glas fokussieren, fällt uns vieles einfacher“, ist sie überzeugt.