„Der Zirkus hat mich stark gemacht“
*Erfolgreich integriert: Nadjuschka Homjakova, 55, Lehrerin und Artistin, Immensee
Nadjuschka Homjakova (55) lebte ein aufregendes Leben als Zirkusartistin. Die Russin verrät, wie Wünsche wahr werden können.
Magische Momente durfte Nadjuschka Homjakova viele erleben. Ihre Augen leuchten, wenn sie von dieser Zeit erzählt. 15 Jahre lang hatte die russische Artistin aus Moskau im Zirkus gearbeitet. Schon als Mädchen wünschte sie sich, Zirkusartistin zu werden. „Ich glaubte damals, dass ich es nicht schaffen würde, weil ich aus keiner Zirkus-Dynastie komme. Doch wenn ein Wunsch fest in deinem Kopf und deiner Seele verankert ist, wird er in Erfüllung gehen“, ist die 55-Jährige überzeugt.
„Ein riesiges Geschenk“
Erst studierte sie in Moskau Philologie und Literatur, später entdeckte sie die Pantomime. Im Alter von 18 Jahren meldete sie sich bei der Moskauer Zirkusschule an. Das Aufnahmeverfahren war sehr schwierig, denn nur 35 der insgesamt 3000 angemeldeten Personen würden einen Platz in der Schule kriegen. Doch sie sollte es schaffen. „Ich hatte grosses Glück. Für mich war diese Chance ein riesiges Geschenk“, sagt Nadjuschka Homjakova. Es folgten 4 Jahre harte, intensive Ausbildung in Akrobatik, Choreographie, Jonglage, Gymnastik und Pantomime. „Ich habe gezeigt, was ich konnte. Der Zirkus hat mich stark gemacht. Ich habe dort Disziplin gelernt und viel Selbstbewusstsein gewonnen“, erklärt sie. Später durfte sie mit dem Zirkus Revue auf Welttournee gehen und viele Länder bereisen. „Der Zirkus hat eine magische Anziehung. Du fühlst die besondere Atmosphäre, du hörst den Applaus. Du weisst dass du vielen Menschen eine Freude machen kannst. Das ist ein wunderschönes Gefühl“, schwärmt sie.
Heute lebt Nadjuschka Homjakova ein ruhigeres Leben, weit weg vom Scheinwerferlicht und Manege. Vor 20 Jahren ist sie zusammen mit ihrem Ex-Mann in die Schweiz gekommen. In Immensee geniesst sie die Stille und die Natur. Hier, direkt am See, unterrichtet die Mutter einer erwachsenen Tochter ihre Schülerinnen und Schüler in Russisch. „Ich fühle mich in der Schweiz sehr gut. Natürlich haben die Schweizer andere Mentalitäten als wir Russen. Ich finde diese Unterschiede sehr spannend, weil ich so immer wieder Neues entdecken darf“, sagt die langjährige Zirkusartistin. Sie werde die Schweiz niemals kritisieren, weil es viel wichtiger sei, sich auf die Stärken und das Schöne zu fokussieren. „Hier in der Schweiz finde ich Harmonie und menschliche Wärme. Meine Wurzeln aber sind wohl überall. Das ist mir von der Zeit im Zirkus geblieben.“
„Russland braucht einen starken Mann“
Auch das Schweizer Politik-System schätzt die Russin. „Die Schweiz ist eines von wenigen Ländern, das nie Krieg geführt hat. Hier kann man sagen, was man denkt, und muss keine Angst vor Konsequenzen haben. Ich fühle mich in der Schweiz sehr sicher.“ In Russland sei dies anders. Viele Menschen würden unter Armut leiden und hätten keine Chance, ihre Situation zu verbessern. Fragt man die Russin nach Wladimir Putin, bleibt sie vorsichtig. Nicht die Politik, sondern die Kunst sei das, was sie wirklich interessiere. „Wenn ich aber in Russland bin, höre ich von meinen Verwandten, dass Putin sehr viel Gutes bewirkt hat. Natürlich macht er auch Fehler. Doch ich denke, dass Russland einen starken, intelligenten Mann braucht, der auch kämpfen kann.“ Inzwischen, so gesteht die erfahrene Zirkusartistin, habe sich in Russland vieles verändert, sodass ihre frühere Heimat auch für sie wie ein neues Land sei. Manchmal aber vermisse sie in der Schweiz die Leichtigkeit, die sie noch von der früheren Sowjetunion kenne. „Die Russen leben mehr nach ihrem Gefühl, während die Schweizer mehr denken und überlegen. Es gibt hier in der Schweiz so viele Regeln, die eingehalten werden müssen. Manchmal frage ich mich, wieso man gewisse Sachen nur auf eine Art und Weise und nicht auch anders machen kann.“
Nadjuschka Homjakova arbeitet mit verschiedenen Privatschulen zusammen und bildet die Lernfähigkeit der Kinder mit Pantomine, Jonglage und Koordinationsübungen aus. „Ich stelle fest, dass zahlreiche Kinder von Computer und Internet negativ beeinflusst werden. Sie sind sehr gestresst und haben Mühe mit dem Leistungsdruck.“ Das führe dazu, dass viele Schüler Probleme mit der Motorik oder der Sprache hätten. „Ich wünsche mir, dass die Kinder in Bewegung bleiben und sich wieder für die Natur begeistern können. Wir sollten darüber nachdenken, was für unsere Kinder wirklich wichtig ist.“
*Serie “Erfolgreich integriert”
Integration schafft kleine Schritte in Richtung Chancengleichheit. Auch im Kanton Schwyz gibt es zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass Integration gelungen ist. Der „Bote der Urschweiz“ stellt darum in seiner Serie „Erfolgreich integriert“ Menschen verschiedener Nationalitäten und Kulturen vor, die eingebürgert wurden. Sie erzählen, was sie dazu bewogen hat, ihre Heimat zu verlassen, und wie sie sich in der Schweiz fühlen.
Die Russin Nadjuschka Homjakova lebt seit 20 Jahren in der Schweiz. Im Oktober 2014 wurde sie erleichtert eingebürgert. „Ich habe mich vom ersten Tag an gut integriert. Ich halte es für sehr wichtig, die Sprache zu lernen. Am Anfang, als ich noch kein Deutsch konnte, habe ich viel gelacht und via Körpersprache kommuniziert“, erzählt die 55-Jährige. Sie rät Personen in einer ähnlichen Situation, neugierig zu sein und auf andere Menschen zuzugehen. „Es geht darum, interessiert am Gegenüber zu sein und positive Stimmung zu verbreiten. So wird die Integration schnell gelingen.“
Weitere Informationen zu Nadjuschka Homjakova und ihrer Russischen Sprachschule unter www.russisch-zentralschweiz.ch